(M)Ein etwas anderer Geburtstag
Zuallererst einmal vielen Dank an alle, die mir zu meinem Geburtstag gratuliert und an mich gedacht haben, ich habe mich sehr über die vielen Glückwünsche gefreut! Mein diesjähriger Geburtstag
war wohl in jeder Hinsicht sehr besonders, so weit weg von meiner Familie und Freunden und doch gleichzeitig inmitten von so vielen neuen Freunden und Familien die ich innerhalb des vergangenen
halben Jahres gewonnen habe. Ich muss zugeben, so intensiv habe ich meinen Geburtstag wirklich noch nie gefeiert!
Begonnen haben die Sorpresas - Überraschungen - Samstag abend, da gab es nämlich eine kleine Überraschungsfeier und Kuchen von der Jugendgruppe.
Sonntag Nachts bekam ich dann sehr unerwartet Besuch. Nichts ahnend saß ich abends am Küchentisch und überlegte gerade ins Bett zu gehen, als ich plötzlich Gitarrenmusik hörte und meine Nachbarn
Eduardo und Willy singend bei der Tür hereinkamen. Ihnen folgten unsere Hausmama Rosmery, ihr Mann Fernando, Eduardos Bruder Pablo und meine Mitbewohnerin Marie. Es wurde gesungen und Luftballons
geworfen und Marie und Anna reichten Phil Fru Fruchtsaftsäckchen und Chips an die versammelten. Nach einigen weiteren Liedern löste sich die lustige Versammlung wieder auf und wir fielen alle
todmüde in unsere Betten.
Montag morgens wurde mir von meinen lieben Mitbewohnerinnen Frühstück gemacht und sie erfüllten mir einen langzeitigen Wunsch, indem sie mir eine Schürze schenkten. Es war jedoch nicht nur
irgendeine Schürze, sondern eine von der Schneiderin von FAMUNDI geschneiderte und von den Hortkindern liebevoll mit Schmetterlingen verzierte Schürze, ein wirklich wunderschönes Geschenk!
Nach dem Frühstück ging es zum morgendlichen Teamgebet in dem ich ganz lieb eingeschlossen und gesegnet wurde. Danach fanden wir uns im Büro von Projektleiterin Leonor zur montäglichen
Besprechung der Woche ein. Wir waren gerade mitten im Gespräch, als Leonor plötzlch ihren Kalender zuklappte, den Schreibtisch freiräumte und Rosmery und das restliche equipo (Christina, Rita und
Melania) mit Salteñas und Refresco hereinkamen. Als ich gerade meine Salteña fertig gegessen hatte folgte die nächste Überraschung, eine die ich zugegebenermaßen schon erwartetet hatte. Und zwar
übergoss mich Leonor nach - laut ihr - kolumbianischer Tradition mit einer Tasse Maizena, die ich natürlich durch ein paar Umarmungen großzügig mit Marie und den anderen teilte.
Die Kinder im Hort begrüßten mich trotz Maizena mit stürmischen Umarmungen, sie sangen für mich und einige malten mir sogar Geburtstagskarten.
Der Aufenthalt im Hort war nur recht kurz, dann wurde ich schon wieder nach draußen gerufen. Dieses Mal erwarteten mich Hausmama Rosmery und ihre beiden Töchter (Marifer und Noelia). Auch sie hatten für mich gebastelt und überreichten mir ein Geschenk.
Nach dem Mittagessen hatte ich eine kurze Verschnaufpause die ich dazu nutzte, mit meiner Familie zu skypen. Ich wurde auch von ihrer Seite besungen und beglückwünscht, hatte aber leider nur wenig Zeit, denn wie mir mitgeteilt worden war, sollten wir uns schon um halb drei wieder auf den Weg machen - und zwar zu Señora Alejandra, die wir an diesem Nachmittag besuchen sollten. Da ich bisher die einzige war die bei der Familie zu Besuch gewesen war freute ich mich, dass die anderen sie nun auch endlich kennenlernen würden und blickte dem Besuch mit freudiger Erwartung entgegen. Es kam dann jedoch wieder einmal alles ein bisschen anders, als ich es erwartet hatte.
Die Tatsache, dass uns die Familie nicht vom Haus des Segens abholen würde machte mich zugegebenermaßen etwas nervös, da ich ja die einzige war die den Weg kannte und navigieren würde müssen.
Marie und Anna trauten mir dies aber offenbar völlig zu, denn sie zuckten mit keiner Wimper, als ich ihnen gestand, dass ich mir nicht hundert Prozent sicher war, ob ich das doch recht weit
außerhalb gelegene Haus auffinden würde. Von ihrem Vertrauen in mich bestärkt machten wir uns auf den Weg zum Micro. Als wir an der Avenida, der Hauptstraße, angekommen waren wurde das Grinsen
auf den Gesichtern von Anna und Marie immer breiter und sie eröffneten mir, dass wir eigentlich gar nicht auf dem Weg zu Señora Alejandra waren. Ich war erst einmal baff - damit hatte ich
nun wirklich nicht gerechnet!
Geheimnistuerisch verrieten mir meine beiden Begleiterinnen nicht, wohin des Weges wir tatsächlich waren und dirigierten mich in ein Micro, das in die entgegengesetzte Richtung fuhr als das,
welches ich nehmen wollte - wir fuhren stadteinwärts.
Im Zentrum angekommen spannten mich Anna und Marie noch etwas auf die Folter indem wir scheinbar ziellos über die Plaza flanierten. Schließlich bogen wir dann ein und erreichten so unser Ziel, die Pizzeria Marguerita. Man frage nicht, warum ich in einem Land wie Bolivien mit so vielen einzigartigen Spezialitäten gerade meine unsterbliche Liebe für Pizza entdeckt habe, aber es ist nunmal so und da meinen beiden Mitbewohnerinnen mein unstillbarer Pizzahunger nicht entgangen war, erfüllten sie mir einen weiteren Wunsch. Die Pizza war wirklich herrlich - eine weitere gelungene Überraschung.
Nach unserem so besonderem Mahl kehrten wir wieder nach Hause zurück, wo uns schon das nächste große Ereignis erwartete, nämlich das Abendgebet. Meine zahlreichen Einladungen und die Aussicht auf
Torte hatte so einige an diesem Abend in den Salon gelockt und so wurde sehr zahlreich Oración gefeiert. Der Oración folgte ein ganz besonderer Moment, in dem mich unser Freund Willy bat, mich
auf den Boden zu setzen. Ich dachte erst, ich hätte ihn nicht richtig verstanden und fragte nach, was ich machen sollte, doch er wiederholte schlicht die Frage, ob ich mich bitte auf den Boden
setzen könnte. Nachdem er schon so nett fragte kam ich der Bitte schließlich nach und setzte mich vor dem Tisch, der
in der Oración als Altar diente, auf den Boden. Alle anwesenden, Mamas, Kinder und Jugendliche von FAMUNDI bildeten einen Kreis um mich. Sie streckten alle die Hände aus und beteten für
mich.
Es war ein wirklich unglaublich schönes Gefühl, ein unglaublich schöner Moment, ein unglaublich schönes Geschenk des Segens und der Glückwünsche.
Als sich die Menge wieder gelichtet und ich mich auf leicht wackeligen Beinen wieder erhoben hatte kam auch schon Mama Rosmery mit meiner unglaublichen Geburtstagstorte. Ein Kunstwerk aus rosa
mit bunten Streuseln. Auf diesen Moment hatten alle gewartet, denn nachdem ich auf drei Sprachen besungen worden war, war es an der Zeit für mich, einer bolivianischen Tradition nachzukommen,
nämlich dem probieren der Torte .
Dem Brauch nach muss das Geburtstagskind die Torte vor allen anderen kosten, indem es einmal abbeißt, auf diesen Augenblick wird schon gelauert und in dem Moment in dem in die Torte gebissen
wird, drückt jemanden Kopf des Abbeißenden nach unten, sodass dieser in die Torte gedrückt wird.
Nachdem es ihnen so Spaß machte, wurde ich sogar gleich zweimal in die Torte gedrückt, einmal beim Auspusten der Kerze und einmal beim "probieren". Dafür erntete ich einen herzlichen Applaus und
Gelächter.
Nachdem alle ein Stück Torte erhalten und verzehrt hatten verstreute sich die Gesellschaft und wir verzogen uns zu unsrem ganz besonderen Lieblingsplatz, auf die Dachterrasse, wo wir noch einige gemeinsame Momente genossen, bevor wir alle todmüde von all den Feiern und Überraschungen in unsere Betten fielen.
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