Weihnachten in Bolivien
"Wenn die stille Zeit vorbei ist, dann wird es auch wieder ruhiger." Dieses Zitat von Karl Valentin trifft auf das bolivianische Weihnachten wie ich es erlebt habe völlig zu.
Doch ich sollte von vorne anfangen. Mein vierundzwanzigster Dezember begann nämlich vielleicht etwas ungewöhnlicher, doch mit den
gegebenen Umständen wahrscheinlich recht nachvollziehbarer Weise mit einem Skype-Marathon. Um 8 Uhr startete ich frühstückend mit einem Gespräch mit Martin, Hannelore, Tobi und Flora (Onkel,
Tante, Kusin, Kusine), auf welches ein kurzer Plausch mit meinen Eltern folgte. Danach tratschte ich mit Daliah (ebenfalls meine Kusine).
Während meiner Gespräche, welche (zumindest für meinen Teil) im Salon stattfanden, hatte ich immer regen Besuch, denn die FAMUNDI-Familien waren dabei die Hühner für ihr Weihnachtsessen
abzuholen. Immer wieder wurden meine Gespräche für das kurze Austauschen von Weihnachtsgrüßen und sehr herzlichen Umarmungen unterbrochen.
Nach dem Mittagessen war es dann schon Zeit für mein erstes Weihnachtsfest des Tages, ich fühlte mich ein bisschen wie ein Timelord (=Zeitreisende/r). Zur Erklärung, nach dem Essen war es bei mir
etwa 13:30 und dementsprechend zu Hause 18:30 (es sind 5 Stunden Zeitverschiebung),
weshalb ich mich im Büro in den gemütlichen Drehsessel lümmeln und via Skype die Weihnachtsfeier zu Hause mitverfolgen konnte. Da mein Papa den Laptop strategisch auf einem Kasten im Wohnzimmer
platziert hatte, war es mir möglich, das ganze Geschehen genau zu beobachten, beispielsweise die kleine Magdalena, wie sie enthusiastisch Geschenkpapier von (ich fürchte nicht nur ihren eigenen)
Geschenken riss. Davor wurde natürlich noch gesungen und das Weihnachtsevangelium gelesen und ich konnte den erleuchteten Christbaum bestaunen.
Als ich mit diesem Skype-Gespräch meinen Marathon beendete kochten und aßen meine Mitbewohnerinnen und ich gemeinsam, wir hatten uns für dieses Essen einige besondere Dinge überlegt und so gab es
zur Vorspeise Brötchen mit Guacamole, Oliven und Hartkäse und zur Hauptspeise, da wir fast ausschließlich vegetarisch essen, Zucchini mit Quinoa-Gemüse Füllung. Der dritte Gang bestand aus
Keksen, Weihnachtspunsch und Zimtschnecken, doch den mussten wir aus Platzknappheit auf später verschieben.
Wir versammelten uns nach dem Essen für den spannenden Teil des Abends um unser kleines Christbäumchen. Spannend deshalb, da in diesem Moment drei Menschen aus unterschiedlichen Familien ein Fest
gemeinsam feierten, welches jede auf sehr unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Traditionen gewöhnt war. Wir setzten uns mit Kissen um den Tisch mit dem Bäumchen und begannen
Weihnachtslieder zu singen, wobei jeder sich seine Lieblinge wünschen durfte. Nach einiger Zeit gesellte sich kurzfristig noch eine weitere Teilnehmerin zu unserer kleinen Runde, nämlich Maria,
die ehemalige Volontärin, welche gerade einige Monate in Bolivien verbringt.
Wir freuten uns sehr über ihren Besuch, wie besonders es wirklich war fällt mir leider schwer zu beschreiben, es war einfach sehr schön diesen besonderen Moment, dieses Stückchen Heimat, mit ihr
zu teilen. Wir sangen gemeinsam noch ein paar Lieder, bevor sich Maria nach dem "Stille Nacht" wieder von uns verabschiedete. Wir lasen die kleine Weihnachtsgeschichte (Tradition aus Annas
Familie) und das Weihnachtsevangelium aus der Bibel (Tradition aus meiner Familie) und dann gab es die Bescherung. Diese war sehr sehr besonders, da wir abgemacht hatten, dass wir uns alle etwas
selbst gemachtes schenken und keinen Boliviano für die Geschenke ausgeben würden. So wurden nun wunderschön selbstgebastelte und verzierte Päckchen und handgeschriebene Briefchen
ausgetauscht.
Davor lasen wir noch den Brief, welchen uns Anna-Maria geschrieben hatte, welcher uns gleich zu Beginn schon zu Tränen rührte.
Nach dem Austauschen der Geschenke machten wir uns auf den Weg zur Kirche "Los Chacos", wo wir die Weihnachtsmesse besuchen wollten. Der Grund für die Auswahl dieser Messe (es gibt sehr sehr
viele Kirchen in der Umgebung und dementsprechend viel Auswahl) war, dass eine Freundin von uns, eine Volontärin aus einem anderen Projekt, welche uns schon ein paar mal besucht hat, mit
Mädchen
und Kindern aus ihrem Projekt die Messe musikalisch begleitete. Es war eine sehr schöne Messe, nach der wieder einmal sehr herzliche Weihnachtswünsche zwischen uns, unserer Freundin Kristin
und einer Familie von FAMUNDI welche wir zufällig trafen, ausgetauscht wurden.
Wir fuhren mit dem Taxi nach Hause und machten es uns auf der Dachterrasse mit dem Punsch und den Keksen gemütlich, denn nun erwartete uns eine bolivianische Weihnachtstradition. Während wir uns
in Decken gewickelt in unsere Sessel zurücklehnten explodierte der Himmel über uns.
In Bolivien werden nämlich nicht nur zu Silvester, sondern auch zu Weihnachten Feuerwerke abgefeuert und die Bewohner von Santa Cruz hatten es sich offenbar vorgenommen zu zeigen, dass dies die
größte Stadt Boliviens ist, denn so viele Feuerwerke habe ich noch nie in meinem Leben gesehen!
Um Mitternacht tanzten Anna und Marie vor lauter Verwirrung ob der, für uns datumstechnisch etwas zu bald abgefeuerten Feuerwerke, einen "Neujahrswalzer" und auch wenn von "Noche de Paz" (Nacht
des Friedens) wie es hier heißt durch das Geballer nicht wirklich viel zu spüren war, war dies doch ein recht schöner Abschluss eines sehr schönen und besonderen Weihnachtsfestes.
Ich habe wohl noch nie zuvor die Advent- und Weihnachtszeit so bewusst gelebt, bei einem Weihnachten unter Palmen muss für die Stimmung nämlich manchmal eher selbst gesorgt werden, aber gerade
deshalb durften wir erfahren, dass Schnee nichts ist, was es zu einem gelungenen Weihnachtsfest braucht. Dazu haben anstatt dessen vor allem auch meine beiden Mitbewohnerinnen beigetragen. Anna
und Marie, ich glaube wir wissen alle drei nicht, wie wir dazu gekommen sind, dass gerade wir drei die Zeit hier gemeinsam verbringen dürfen, zusammen. Vielen Dank, dass es euch gibt!
Ich möchte in diesem Sinne allen meinen lieben Freunden und Verwandten,
allen Interessierten die diesen Blog, meine Abenteuer, mitverfolgen und zu Hause mitfiebern,
einen guten Rutsch ins neue Jahr, ganz viel Glück und natürlich nachträglich noch Frohe Weihnachten wünschen. Vielen Dank für das mir entgegengebrachte Interesse, für die lieben Kommentare, für
jede Frage, jedes aufmunternde Wort. Für mich beginnt jetzt ein weiteres Abenteuer, ab dem 29ten Dezember mache ich mich nämlich auf eine einmonatige Reise durch Bolivien und Peru!
Da ich wohl nicht allzu bald zum Schreiben kommen werde verabschiede ich mich hiermit für heuer.
Vielen Dank noch einmal,
¡CHAO!
Bis nächstes Jahr!
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Opa und Oma (Freitag, 05 Januar 2018 01:00)
Liebe Kathi,
recht herzlichen Dank für die wunderbaren Berichte. Wir freuen uns sehr, dass ihr die Feiertage so schön und harmonisch verbringen konntet. Auch wir haben heuer sehr schöne Weihnachtstage erlebt, weil wir alle unsere Familien zwar nicht auf einmal, aber hintereinander zu Besuch hatten und daher mehrmals feiern konnten. Momentan ist das Wetter eher bolivianisch, d.h. warm (10 - 15°) und leider sehr regnerisch und stürmisch.
Wir wünschen dir nachträglich
a) Feliz navidad
b) ein glückliches Jahr und ein gesundes Heimkommen,
c) eine schöne, erlebnisreiche Tour durch Bolivien und Peru.
Liebe Grüße!
Oma und Opa