Abschlussfeier auf bolivianisch
Wir werden von den Familien oft zu wichtigen Ereignissen eingeladen und da nun Dezember und somit Schulschluss ist, war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis wir zu einer Promócion eingeladen
wurden. Tatsächlich lud uns Francis Ortiz, die Mutter von Maria René, Gabriel und Juliana, welche wir schon aus der Jugendgruppe kennen, zu Julianas Promócion ein.
Wir trafen uns bei ihrem Haus und nahmen mit Gabriel eine Micro ins Zentrum. Der Weg war relativ weit, Juliana erzählte uns später, dass sie dieses so weit weg gelegene Colegio besucht, da es in
der Umgebung so viele Pandilleros (Banden) gibt und es deshalb weniger gefährlich ist, weiter in der Nähe des Stadtzentrums die Schule zu besuchen.
Beim Colegio angekommen trafen wir den Rest der Familie, Francis, Maria René, deren Vater und zig tausende Kusinen und Kusins. Wir ergatterten einige Gartenstühle und gesellten uns zu den
restlichen Festgästen in den Innenhof der Schule wo die Zeremonie stattfand. Für uns war dies insofern etwas besonderes, als ich mir schon öfter gewünscht hatte, einmal eine bolivianische Schule
von innen zu sehen, was gar nicht so einfach ist, da eigentlich alle Schulen von einer hohen Mauer umgeben sind. Die Schulen ähneln sich außerdem stark, da sie, wie uns Gabriel mitteilte, alle
vom selben Architekte geplant wurden. Dadurch sind sie auch immer sofort erkennbar: Hohe Mauer und Ziegelbau.
Bevor die Verleihung der Zeugnisse begann wurden noch einige Auszeichnungen verteilt, wir hatten währenddessen etwas Zeit, um die anderen Festgäste genauer zu betrachten. Der Großteil der
Besucher war sehr herausgeputzt, die meisten Frauen trugen unmenschlich hohe Stöckelschuhe (wirklich kein Vergleich zu Österreich) und waren sehr stark geschminkt. Generell kam es uns im
Vergleich zu unseren Abschlussfeiern schon fast ein bisschen übertrieben festlich vor, doch in Erwähgung ziehend, dass wir in Bolivien sind war es irgendwie passend.
Die Playlist, welche aus einigen Klavierstücken, unter anderem einer instrumentalen Version von "My heart will go on", bestand, wiederholte sich gerade zum zweiten oder dritten Mal, als endlich
der Hauptteil der Veranstaltung begann, die Zeugnisverleihung. Beginnend bei den Burschen wurden die 85 Schülerinnen und Schüler beim Namen aufgerufen. Begleitet von einem Familienangehörigen
(meist die Mütter) schritten (oder stöckelten) die frischgebackenen Absolventinnen und Absolventen den langen Gang zwischen den Stuhlreihen entlang. Währenddessen wurde verlesen, bei wem sie sich
alle bedanken möchten, was Anna, Marie und mir sehr gefiel. Danach wurden die Begleiter zu ihren Plätzen geführt und die Absolventinnen und Absolventen stellten sich vorne auf. Das ganze dauerte
etwa zwei Stunden (mir tat der erste Bursch echt leid, welcher zwei Stunden lang in der langen, heißen Kutte
auf der Tribüne stehen musste). Als alle aufgestellt waren, wurden einige Hymnen geschmettert (die Landeshymne, die Schulhymne und noch eine dritte), es wurden einige Reden geschwungen und ein
Preis an den besten Schüler und die beste Schülerin verliehen (inklusive 1000 Bolivianos und einer automatischen Aufnahme zur Universität ohne Aufnahmsprüfung - wow!).
Ein recht netter Moment war außerdem noch, als die Lehrerinnen und Lehrer aufgerufen wurden, ihnen gedankt wurde und dem einen Lehrer unter lautem Applaus unzählige Schülerinnen und Schüler ihre
Rosen, von denen jeder von ihnen eine hatte, zuwarfen.
Zu der langen Kutte und der Rose hatten alle noch einen Graduationshut. Auf das Werfen der Hüte warteten wir jedoch vergeblich, denn obwohl einige sich immer wieder verdächtig an den Hut fassten,
oder diesen sogar abnahmen, wurden sie zu unserer Enttäuschung nicht geworfen. Stattdessen bekamen sie alle noch ein Gläschen Sekt und einige Häppchen, dann wurden noch einige Gruppenfotos
gemacht (auf denen einige noch kauten) und schließlich war die Zeremonie vorbei.
Wir fuhren gemeinsam zu der Familie nach Hause, wo die Onkel und Tanten, welche die Veranstaltung nicht besucht hatten, in der Zwischenzeit den Garten wunderschön geschmückt hatten. Es wurde noch
ein bisschen getratscht und dann gegessen. Mitten während des Essens gab es einen Wolkenbruch und da es zu Fuß doch ein Stückchen ist und der Regen wirklich wirklich sehr stark war, ließen wir
uns im Taxi nach Hause chauffieren.
Für mich war es sehr schön die Veranstaltung zu besuchen, da meine eigene Reife- und Diplomprüfungsfeier ja noch gar nicht allzu lange her ist und ich mir so wohl ziemlich genau vorstellen kann,
wie sich die Absolventinnen und Absolventinnen gefühlt haben müssen. Für sie beginnt ein neuer Abschnitt ihres Lebens und ein ziemlich großes Kapitel geht zu Ende.
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