EINE DOCH NICHT SO KLEINE REISEGESCHICHTE

Wallfahrt auf bolivianisch - Tag 2

Zum Frühstücken gingen wir zu einem der Nachbarhäuser. Magischerweise hatte sich die ganze Gruppe, welche normalerweise mindestens um eine halbe Stunde verspätet ist, schon versammelt und alle waren fleißig am Futtern. Das Frühstück bestand, wie könnte es anders sein, aus Pan de Arroz (Reisbrot), Cuñapes (Brötchen mit Käse im Teig und damit einhergehender seltsamer Konsistenz) und Empanadas (Teigtaschen mit Füllung). Da ich Cuñapes leider überhaupt nicht leiden kann und die Empanadas mit Hühnerfleisch gefüllt waren blieb mir noch das Reisbrot und Obst. Die Bolivianerinnen an unserem Tisch beäugten mich sehr sehr skeptisch, als ich mein Reisbrot mit Marmelade und Bananen garnierte und Wassermelone dazu aß. Die Frau welche uns gegenübersaß stellte sich als Silvia vor. Sie war sehr frundlich und auch interessiert an unserem Volontariat. Während sie versuchte uns die Speisen näher zu bringen erzählten wir etwas von unserer Organisation und sie etwas von ihrem Sohn, mit dem sie uns anscheinend verkuppeln wollte.

Nach dem Frühstück wurde alles, was nicht niet- und nagelfest war, sorgfältig in Servietten eingewickelt und verschwand dann unauffällig in den geräumigen Handtaschen der Damen. Wie uns Silvia mitteilte hatten wir eine unglaubliche Zeitspanne von 4 Stunden ohne Essen vor uns.
Wir versicherten ihr, dass wir es wirklich nicht nötig hatten, zusätzlichen Proviant zu bunkern und sie schüttelte leicht verständnislos und ungläubig den Kopf und murmelte noch einmal entsetzt: "viier Stunden!"

Nachdem wir unser Gepäck wieder im Bus verstaut hatten, machten wir uns auf den Weg zur Kirche, da uns gesagt worden war, die Messe sei um 8:00 und es bereits nach acht Uhr war. Wie zu erwarten trafen wir niemanden in der Kirche vor und mussten dort eine weitere Stunde zubringen, bis die Messe tatsächlich anfing. Das Warten hatte sich jedoch gelohnt, da die gewöhnliche Messe nicht nur mit dem ortsansässigen Pater stattfand, sondern der zu unserer Gruppe gehörige Pater die Messe mit ihm gemeinsam hielt.

Tag 2, 11:00
Nach zwei Stunden Messe kehrten wir in den Bus zurück, wo wir gemeinsam den spanischen Rosenkranz beteten. Am Ende des Rosenkranzes gab es einen Applaus für Jesus und Maria.
Es wurden Jesussticker und Marienbildchen für alle ausgeteilt, wonach wir auch schon an unserem nächsten Ziel ankamen, den Aguas Calientes (warme Wässer).

Bei den Aguas calientes handelt es sich um natürliche Gewässer mit warmem Wasser. Ich weiß nicht, ob man es als Glück bezeichnen sollte, aber der leichte Regen, welcher den ganzen Tag kühl auf uns herunterprasselte, stellte einen ganz guten Kontrast zu dem doch relativ warmen Wasser dar.

Schlaue Füchslein wie wir sind, hatten wir uns am Morgen bereits die Bikinis angezogen. Die Bolivianerinnen und Bolivianer hatten nicht so weit gedacht. Wir bekamen eine Idee davon, warum wir immer und überall zu spät waren: sie waren einfach alle furchtbar planlos!
Wir ließen uns von den anderen, welche die Badesachen anscheinend zu unterst eingepackt hatten, nicht aufhalten und machten uns gleich auf den Weg ins Wasser. Gloria, eine unserer Freundinnen begleitete uns. Sie warnte uns davor, weiter hinaus zu gehen, da es dort sehr 'pelligroso' (gefährlich) sei. Warum? Sie konnte nicht schwimmen.
Gloria: "könnt ihr schwimmen?"
Wir: "ja."
Gloria: "echt? alle drei?!"
Wir: "Ja."
Gloria: "...wow."

Nachdem es uns zu warm geworden war, machten wir uns auf den Rückweg, wurden jedoch aufgehalten von einem Loch im Boden, aus dem warmes Wasser blubberte. Sehr angenehm! Wir wagten uns alle erst skeptisch in das "Treibsandloch" wie wir es liebevoll tauften. Zu unserer Erleichterung war es jedoch nicht möglich tiefer als bis zur Hüfte einzusinken.

Wir saßen noch eine Weile lang fasziniert im Sand und gönnten uns dann eine Dusche (3 bs. - wie sich später herausstellen würde, leisteten sich unsere Reisekumpanen nicht die Dusche, um sich von dem doch etwas fischig riechenden Wasser zu befreien, sondern lieber Empanadas um den selben Preis!)
Alex kam noch kurz zu uns, um sich zu verabschieden. Seine Mutter und er reisten von hier weiter zurück nach Cochabamba.

Oscar hatte inzwischen schon den Grill angefeuert. Es gab - was für ein Wunder - Fleisch! Ich hielt mich daher wieder einmal an Beilagen (Yuca, Salat und Brot) Alle Jahre wieder Yuca. Yuca mit Käse. Yuca am Spieß. Yuca al horno...

Wieder fiel uns auf, wie sehr wir uns schon an die Gruppe gewöhnt hatten.
Marie: "I fühl mi scho aungsprochn bei niñas. furchtbar!"
Wir fühlten uns als Kinder schon angesprochen und auch an unsere Namensveränderungen, Anita Maria und Katja zum Beispiel, hatten wir uns ebenfalls schon gewöhnt.

Wir hatten unseren Mitreisenden auch schon allen Spitznamen gegeben (da es die wenigsten für nötig hielten sich bei uns vorzustellen), heute war es zugegebenermaßen schwieriger sie auseinanderzuhalten, denn sie hatten alle ihre Blumenleiberl ausgepackt - Verwechslungsgefahr!

Wir begaben uns zurück in die Flota, bereit zur Weiterreise und freuten uns nun endlich ein bisschen Schlaf nachholen zu können. In diesem Augenblick kam Oscar, unser Reiseleiter, aus dem hinteren Teil des Busses, wo gerade gesungen wurde, zu uns nach vorne und meinte: "Kommt nach hinten, singt mit uns!" Da wir alle wirklich erschöpft waren, meinte Marie:" Es tut uns Leid, aber wir sind sehr müde."
In diesem Moment erreichten wir unser letztes Ziel vor der Heimreise: Roboré.
Uns stand ein einstündiger Aufenthalt in Roboré bevor, was an dem Kaff so besonders sein sollte, fanden wir in dieser Zeit nicht heraus. Marie fragt die Dame im Sitz vor uns: "rengts vü?"
Diese verstand sie offensichtlich falsch und antwortet mit fröhlichem Grinsen: "eine Stunde!" sie fuhr fort, sich aus einem Müllsäckchen einen Regenschutz zu basteln, den sie sich dann über den Kopf stülpte. Wir machten es ihr nach und setzten ebenfalls Müllsäckchen auf. Danach wagten wir uns in den strömenden Regen. Wir besuchten die Kirche und eine kleine Feria. Danach schlenderten wir noch ein bisschen durch den Ort, bevor wir uns wieder in den Bus flüchteten.

Da wir, nicht wie von Oscar im vornhinein versichert um 18:00, sondern dank der bolivianischen Zeitverschiebung erst um halb zwölf wieder in Santa Cruz sein würden, telefonierten wir mit Leonor.
Der Bus fuhr los und wir machten uns daran, alle wieder einzusammeln, welche irgendwohin abgebogen waren.

Es wurde wieder gesungen und diesmal sangen wir mit. Wir fragten dann, ob wir auch ein Lied auf Deutsch singen könnten. Plötzlich verstummte der Bus. Alle Augen und einige Kameras waren auf uns gerichtet. Wir mussten in unseren Sitzen aufstehen. Alle starrten uns erwartungsvoll an. Anna und Marie erklärten kurz die Bedeutung des Textes von 'Ins Wasser fällt ein Stein'. Dann ging es los. Wir sangen zwei Strophen. In Oscars Augen sammelten sich Tränen. Sie leuchteten und er und auch alle anderen lächelten uns begeistert an.
Wir wurden immer weiter aufgefordert zu singen und es war wirklich zu spüren, was wir ihnen damit für ein großes Geschenk machten.  Sie begannen mitzuklatschen und einige auch mitzusingen, beziehungsweise zu summen, da sie ja den Text nicht kannten. Als uns die Lieder zu denen wir den Text wussten ausgingen (wir hatten uns durchgearbeitet durch 'in deinem Namen wollen wir', 'Stern über Betlehem', 'Kommet alle zu mir', und einige mehr) gab es einen finalen donnernden Applaus.
Als der Jubel langsam verebbte konnten wir uns zurück in die Sitze kuscheln. Während Slumdog Millionaire ein zweites Mal abgespielt wurde schaukelten wir hinüber ins Traumland und zurück nach Hause.

Etwa um Mitternacht weckte uns Oscar auf. Wir waren zurück in Santa Cruz. Da unser Taxifahrer Ramiro schon im Bett war, brachte uns Oscar nach Hause. Wie sich herausstellte war er ebenfalls Taxifahrer und wir um etwa halb eins zu Hause.

Als wir den Hof betraten war Rosmery noch wach... die Frau schläft wohl nie.

ENDE.

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Kommentare: 2
  • #1

    dady (Mittwoch, 01 November 2017 20:25)

    mustte heute in der Kirche schmunzeln, als die Ministranten brav mit dem Glöckchen gezuckt haben...

  • #2

    Kathi (Sonntag, 05 November 2017 18:21)

    Oh ja, diese Stelle habe ich in dieser Version leider herausgestrichen, weil der Text schon so lang war, aber das ist in der Tat zu Hause etwas anders als in Bolivien..