An meinem zwölften Tag in Belgien hieß es schließlich wieder: auf, auf, Koffer packen. Nicht, weil ich zurück nach Österreich muss, sondern weil es endlich an der Zeit für mich war, mich zu meinem eigentlichen Wohnort aufzumachen, nämlich nach Leuven. Mit einiger Kraftanstrengung schaffte ich es all mein Hab und Gut wieder in meinen Koffer zu verfrachten und da Marc wohl gute Laune hatte, begleitete er mich sogar zum Bahnhof. Die Fahrt nach Leuven dauerte nur etwa zwanzig Minuten und vom Bahnhof weitere zehn Minuten zu meinem neuen Wohnort. Meine Ankunft in Leuven war um einiges weniger chaotisch als die in Brüssel, da der Bahnhof in Leuven ziemlich überschaubar ist und ich schnell ein Taxi fand. Ich wurde von meinem Vermieter Kris in Empfang genommen und er führte mich durchs Haus, ein sehr schmales, zweistöckiges Gebäude mit insgesammt sieben Wohnungen (beziehungsweise Zimmern). Mein Zimmer befindet sich im zweiten Stock, ich war vom ersten Moment an verliebt in die Aussicht. Ich lernte einen meiner Mitbewohner kennen, den Sohn meines Vermieters, der sich als sehr nett und hilfsbereit herausstellte. Alle meine Mitbewohnerinnen und Mitbewohner kommen aus Belgien, weshalb sie meistens an den Wochenenden nach Hause fahren. In der Woche, in der ich in Leuven ankam, hatten sie außerdem gerade Ferien, weshalb ich die lustige Truppe erst eine Woche später so richtig kennenlernte. Meine erste Woche in Leuven gestaltete sich deshalb jedoch keinesfalls langweilig. Es gibt eine Unmenge an Studentenorganisationen in Leuven und einige davon kümmern sich besonders um internationale Studierende. In der ersten Februarwoche boten viele der Organisationen Aktivitäten an, um den Ankommenden den Einstieg zu erleichtern.
Zu meiner großen Freude fand ich heraus, dass eines der Studierendenzentren, Pangaea, sehr nahe an meinem Wohnort ist und so hatte ich die Möglichkeit bei einer großen Anzahl an Aktivitäten teilzunehmen. Wegen der Corona-Maßnahmen musste das Programm leider in reduzierter Form stattfinden, aber es gab trotzdem sehr viele nette Gelegenheiten, um andere internationale Studierende kennenzulernen. Es wurden beispielsweise Quiz-Runden über Zoom und Discord veranstaltet, es gab Stadtspaziergänge mit lokalen Studentinnen und Studenten, es fanden unzählige Informationsveranstaltungen statt zum Leben und studieren in Leuven, es wurde sogar ein Crashkurs in Niederländisch angeboten, an einem Abend fand eine Fackelwanderung statt und täglich gab es beim Studierendenzentrum nachmittags Kaffee, Tee und Heiße Schokolade. Bei allen Events die nicht online stattfanden, wurde auf Sicherheitsregeln geachtet, beim Kaffee trinken beispielsweise wurden rote Zelte aufgestellt und unter jedem Zelt durften maximal vier Personen gemeinsam plaudern und trinken (in Belgien gilt die Regel, dass man mit anderen gemeinsam Zeit im Freien verbringen darf, aber maximal mit einer Anzahl von vier Personen).
Ich lernte bei dem Stadtspaziergang schon viele schöne Plätze kennen. Leuven ist eine sehr überschaubare Stadt. Was mich besonders amüsiert ist, wie groß der Anteil an gebäuden ist, die zur Universität gehören. Es ist mir schon sehr oft passiert, dass ich durch die Stadt geschlendert bin und ein schönes, altes Gebäude betrachtet ahbe, nur um darauf eine Inschrift mit "KU Leuven" zu finden.
Besonders beeindruckt hat mich der Groot Begijnhof (große Beginenhof), ein historisches Viertel der Stadt, das inzwischen (natürlich) der Universität gehört und als Campus, aber auch zur Unterbringung von Studierenden dient. Weiters besuchten wir den Oude Markt (Alter Markt), einen Platz der beinahe lückenlos von Bars umgeben ist, weshalb er auch einen Rekord für die "längste Bar der Welt" (im Sinne von die meisten Bars nebeneinander) hält. Da zurzeit alles geschlossen hat, war es ein etwas trauriger Anblick, aber der Student, der uns herumführte, erzählte uns trotzdem voller Enthusiasmus von den legendären Trinkgelagen, die hier normalerweise stattfinden und von dem ausgeklügelten System von Bars und Essensstraßen, in die man abbiegen konnte, wenn man zwischen den Trinken von Hunger überfallen werden sollte. Er schwärmte natürlich von belgischem Bier und der Tatsache, dass es über 3000 verschiedene belgische Biersorten gibt. Nahe dem Oude Markt befindet sich das Stadthuis (Rathaus) von Leuven, das auch sehr schön anzusehen ist und ein Stück weiter die Universitätsbibliothek. Wer genau hinsieht bemerkt davor eine riesige Nadel mit einer Fliege, ein Geschenk, dass die Universität zu ihrem 575. Geburtstag der Stadt Leuven gemacht hat, um ihre Verbundenheit auszudrücken. Obwohl in dieser ersten Woche das Wetter oft nicht unbedingt dazu einlud draußen zu sein, verbrachte ich sehr viel Zeit im Freien und lernte viele nette Menschen kennen.